Herzlich willkommen zur nächsten Folge des Phänomen Paul-Gerhard-Lieder. Wir sind in meiner logistischen Strukturierung bei Punkt 2.
2 Bertha 2 meint Passionslieder. 2a war ein Lämlein geht und trägt die Schuld.
2b ist das folgende. Ich habe allerdings zu Beginn noch einen
Nachtrag zu ein Lämlein geht und trägt die Schuld. Also dieses schöne Lied mit
ein Lämlein geht und trägt die Schuld. Mit diesem schönen Einstieg, wenn man es singt.
Ich habe noch etwas gelesen im Nachtrag zu der letzten Vorlesung und bin auf
einer Fußnote auf einen Vortrag hingewiesen worden von Irmgard Scheidler
in Eichstätt, der sich in Vorbereitung der Drucklegung befinde. Da ich Frau
Scheidler gut kenne, habe ich angerufen. Der Vortrag ist nie publiziert worden. Sie
ist Germanistin mit dem Spezialgebiet Barocklied, was es nur sehr selten gibt
und hat viel gearbeitet über Gesangbuchlieder, auch über Opernliberettie
und alles Mögliche. Jedenfalls hat sie aus germanistischer Sicht tatsächlich auch
dieses Lied analysiert und das war doch sehr interessant, denn sie betont, dass
dieses Lied wirklich auch poetisch unglaublich hochstehend ist,
ein hohen Stil kennzeichnet und belegt es an vielen Details.
Das will ich jetzt nicht auflisten, aber ein paar Dinge möchte ich doch benennen
und der Anlass des Vortrages war eine Tagung in Halle in den freilinghausen
Anstalten und da ging es darum, inwieweit Paul Gerhardt sprachlich ein Vorbereiter,
ein Vorbote und ein Anreger des Pietismus ist und sie weist eben in
zahlreichen Details nach, dass dieses Lied ein Lämmelein geht und direkt die
Schuld doch sprachlich Grund gelegt hat für das, was dann im Pietismus quasi
inflationär geschieht und ich hatte ja schon benannt den Lämmelein-Kult
namentlich der Herrenhuter. Aber ein paar Punkte jetzt aus diesem Vortrag. Zunächst
vorneweg hat jetzt noch mit dem Vortrag nichts zu tun, dass die Bedeutung des
Lämmelein-Liedes zeigt sich auch darin, dass es die erste Liednummer ist, die in
der großen Ausgabe von Paul Gerhardt-Liedern die Johann Georg Eberling,
hier ist das Titelbild, die Johann Georg Eberling 1666, 67 bewerkstättigt hat,
also in zehn Heften a 12 Liedern sukzessive erschienen und im ersten
Heft ist also die Nummer eins ein Lämmelein geht und direkt die Schuld. Interessant
sind die Wiedmungsträger und da ist diese Ausgaben und da ist, da ist die
Titulatur beim ersten Heft ganz vollmundig, denen hoch und wohlwürdigen,
hoch und wohlgeborenen, hoch edelgeborenen, gesträngen auch wohl edlen,
festen, hochgeladen, hoch benannten und hochweisen, denen, Prälaten, Grafen,
Herren, Ritterschaft und Städten der Kur und Mark Brandenburg,
dieseits der Oder und jenseits der Elbe. Das ist natürlich zeittypisch barock,
aber man sieht es sind hochgestellte Persönlichkeiten sozusagen die
absolute obere Etage der Gesellschaft in Brandenburg ist als Zielgruppe
genannt. Das Lied ein Lämmelein geht und direkt die Schuld sei auf Veranlassung
einer hochgestellten Persönlichkeit gedichtet worden, findet sich
irgendwo 1710 eine Bemerkung. Es ist nicht zu verifizieren wer das sein soll
und ob dies stimmt. Jedenfalls dieser hohe sprachliche Stil kann auch damit
zusammenhängen. Dass es nun als Nummer eins der Werkausgabe von Ebeling
erscheint, hängt auch damit zusammen, dass das erste Heft ein Passionsheft
ist. Das Vorwort ist 16. Februar datiert, das heißt es erschien zur Passionszeit
1666 und enthält als erstes dieses Lied, aber eben Kennzeichen, siehe das ist
Gottes Lamm ein Lämmelein geht und direkt die Schuld. Zum Begriff Lämmelein,
da hat Frau Scheidler nachgewiesen, in der Bibel steht ja Lamm, siehe das ist
Gottes Lamm, dieser Gebrauch von Lämmelein, den hat Paul Gerhard nicht erfunden.
Er kommt schon bei Johann Arndt in seinem Schrifttum um 1600, also fast 50 Jahre
vorher, insgesamt zehnmal vor. Er hat dann aber ab der Zeit von Paul Gerhard,
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:00:16 Min
Aufnahmedatum
2020-05-11
Hochgeladen am
2020-05-24 21:04:38
Sprache
de-DE
Das Phänomen Paul-Gerhardt-Lieder II
Die Lieder von Paul Gerhardt (1607-1676) sind "Evergreens" trotz ihrer veralteten barocken Sprach- und Vorstellungswelt, trotz ihres oft schweren theologischen "Ballasts", trotz ihrer Überlänge. Die Vorlesung nimmt einzelne Lieder in Textgestaltung wie Melodiezuweisung genauer unter die Lupe, vermittelt historischen Hintergrund der Liedentstehung und gibt Einblicke in die Liedrezeption durch die Jahrhunderte in Gesangbüchern wie Kunstmusik.